Viel gab und gibt es in den letzten Monaten in Köpperns Mitte an unserer Kirche zu sehen. Nachdem das schmiedeeiserne Kreuz samt oberem Turmknauf und Wetterhahn durch einen spezialisierten Schlossereibetrieb abgenommen, die zweigeschossige Fachwerkkonstruktion unseres Turms abgedeckt und die Verschalung entfernt war, kamen einige Überraschungen zu Tage:
Der Holzaufbau des Turms mit dem „Kaiserstiel“, der senkrechten Holzsäule, die die Turmabschnitte mittig verbindet und das Kreuz und zwei darunterliegende Knäufe trägt, war in großen Teilen durch Feuchtigkeit stark geschädigt. Viele Holzbalken, darunter auch einige mit Handwerkernamen und der Jahreszahl 1728, konnten vor Ort ausgetauscht werden. Die Zwiebel als oberer Turmabschluss jedoch war so beeinträchtigt, dass die Zimmerleute entschieden, sie Stück für Stück ganz abzunehmen und in ihrer Werkstatt unter Verwendung einiger noch stabiler Teile nachzubauen. So war für einige Zeit ganz oben vor allem ein gähnendes Loch zu sehen und mancher fragte sich, was da wohl passiert war.
Ganz andere Überraschungen fanden sich in den beiden Turmknäufen: Zuerst fiel aus dem unteren hölzernen Knauf beim Öffnen von dessen Verschalung eine Flasche heraus und gleich ein Stockwerk tiefer, wo sie heil auf dem Gerüstgang landete. Die Praktikantin unseres Architekten hatte als einzige den Vorgang bemerkt und so konnte eine alte braune Bierflasche geborgen werden, in der ein Zettel steckte. Die Flasche ließen wir in der Buchrestaurierungs-Werkstatt des Klosters Eibingen öffnen und das Papier vorsichtig entrollen.
Der Text lautet: „Der Nachwelt zur Kenntnis, dass wir in dieser knappen geldesarmen Zeit diesen Kirchturm repariert haben, indem derselbe bedenklich wackelte und drohte, teilweise ein zu stürzen, es war ein saures Stück Brod, wenn man bedenkt, dass ich als 66-jähriger Mann solche Arbeit machen helfen muss, mein Sohn Joh. Maurer ist 1898 geb. Ein Lehrling ist 1911 geb. und ist acht Wochen in der Lehre. Der Bürgermeister heißt Winter, ist ein gesetzter Mann und gönnte jedem seinen Lohn. Köppern den 2. Juli 1925, Friedrich Maurer, Dachdeckermeister“
Knapp vier Wochen später fand man bei der Restaurierung in der Schlosserei im oberen mit Kupfer ummantelten Knauf eine weitere Flasche (diesmal eher für Sekt), die wir selbst öffnen konnten. Die darin enthaltene Papierrolle ist zwar nur 11 cm breit, aber erstaunliche 265 cm lang. Die eine Seite trägt einen Text mit einer ausführlichen Widmung an Kaiser Wilhelm I. und interessanten Informationen über unseren Ort im Jahre 1887. Der Anfang lautet:
„Im Namen Jesu. Urkunde
Im Jahre des Heils 1887 im Monat Juni (…) 17. Jahr der segensreichen Reichsregierung Sr. Majestät, unseres allerduchlauchtigsten großmütigsten Kaisers Wilhelm I., des siegreichen, im 27. Jahre seiner königlichen Regierung, 91. Jahr seines gottbegnadigten Lebens (…) wurde die durch langjährige Witterungseinflüsse schadhaft gewordene Thurmspitze unserer schönen ( …) lutherischen Kirche (…) durch den Zimmermeister Peter Velte von hier und vier Arbeitern desselben sowie dem Spengler (…) Karl Sengeisen von Köppern und dem Dachdecker Fritz Georg von Friedrichsdorf einer gründlichen Erneuerung unterzogen.“
Es folgt die Zusammensetzung des Kirchenvorstands unter Pfarrer Sell, der Gemeindevertretung unter Bürgermeister Stamm sowie des Schulvorstands mit den beiden angestellten Lehrern.
Über die im Dorf ansässigen Betriebe wird informiert: … eine mit Dampf betriebene Hutfilzvorrichtfabrik, drei große Spinnereien (… mit Dampfbetrieb …) sowie drei. …Mühlen (…) Die 1885 vollzogene Volkszählung hat 953 Einwohner constatiert (darunter nur wenige Katholiken, wenige Reformierte und etwa sechs Juden). Im Jahre 1886 wurden dahier 39 Kinder geboren, 38 Kinder (lutherisch) getauft, 25 Kinder confirmiert, 7 Paar kirchlich getraut während 17 Personen verstarben. Der Hauptnahrungszweig ist die (Tabak- Hut- und Textil…) Industrie, während die ackerbauerische Bevölkerung zurücktritt.
Des Herrn Gnadensegen über unsrer Kirche Gemeinde und Schule in der Gegenwart und Zukunft. Der Herr mit uns und den Nachkommen insgesammt.
Ausgefertigt Köppern, den 23. Juni des Jahres des Heils 1887 durch eigenhändige Namens Unterschrift:“
Der Text endet mit den Unterschriften aller Männer aus den verschiedenen genannten Gremien.
Die Rückseite der Rolle belegt, wie schwierig es war, sich auf einen geeigneten Bauplatz für die neue Schule zu einigen. Ein Gemeinderat hält den Wahlvorgang mit der Entscheidung (5 : 4 Stimmen) für den Bauplatz „Auf der Eselswiese“ (heutiger Spielplatz am Ende der Kiehlstraße, die Schule steht seit Mitte der 1970er Jahre nicht mehr) fest. „Die Zukunft wird lehren wer recht hatte“.
Wer das gesamte Schriftstück einmal lesen möchte, kann es auf unserer Webseite finden. Auch eine Präsentation des gesamten Projekts, mit der wir um Spender und Sponsoren werben, finden Sie dort.
Ein besonderes Spektakel gab es am 10. Oktober, als die komplette neue Zwiebel mit einem Autokran, über die Länge des Kirchenschiffs hinweg, wieder in luftige Höhe gezogen wurde. Nach drei Stunden, in denen vier Zimmerleute und zwei Kranwagenführer hochkonzentriert und, oft per Funk verbunden, zusammenarbeiteten, war der Turm wieder vollständig.
Mittlerweile (Anfang November 2024) ist schon das dritte große Gewerk, die Dachdecker, im Einsatz, um den Turm zu verschiefern. Sobald das geschehen ist, soll das Turmgerüst, das auf dem Kirchenschiff abgestützt ist, abgebaut werden. Dann kann das eigentliche Dach gedeckt werden. Sicher ist jetzt allerdings, dass die Maßnahme bis ins neue Jahr weiter gehen wird.
Für Weihnachten soll der Haupteingang so gegen die Baustelle abgeschirmt werden, dass er genutzt werden kann, auch wenn dort eine gewisse Engstelle bleibt. Die Sakristei wird ebenfalls weiterhin als Eingang offen sein. Alle Gottesdienstbesucher werden am Heiligen Abend gebeten, die Kirche vorne oder hinten zu betreten und zu verlassen, je nach Richtung, aus der sie kommen oder gehen. Die Seitentür wird außerdem als Ausgang geöffnet.
Mit dem Dachdecker ist vereinbart, dass nach dem Turm zuerst die straßenseitige Dachseite gedeckt wird. So kann danach das halbe Gerüst abgebaut und auch die einspurige Fahrbahnnutzung aufgehoben werden.
Bauausschuss und Kirchenvorstand bitten weiterhin um Ihr Interesse an dieser großen Baumaßnahme und danken sehr herzlich für alle bisher zusammen gekommenen Gelder. Wir haben etwa die Hälfte unseres Spendenziels von 60.000 € erreicht, allerdings sind die Kosten auch deutlich höher geworden, wie Sie diesem Zwischenbericht entnehmen konnten. Daher hoffen wir auch in Zukunft auf Ihre großherzige Unterstützung!
Ulrike Langhals